Artikel 11.17 | 15. November 2017


Die e-Vergabe kommt unaufhaltsam

Ab Oktober 2018 müssen EU-Vergaben vollständig elektronisch abgewickelt werden. Ab Januar 2020 ist die e-Vergabe auch im Unterschwellenbereich verpflichtend. Mit der vollständigen elektronischen Durchführung von Vergabeverfahren in der Beschaffung werden alle Schritte von der Erstellung und Bereitstellung der Vergabeunterlagen über die Bieterkommunikation, Angebotserstellung und Angebotsabgabe bis zur Prüfung, Wertung und Zuschlagserteilung elektronisch abgewickelt. Der Gesetzgeber verspricht sich von der e-Vergabe eine höhere Attraktivität öffentlicher Ausschreibungen und schnellere Vergabeverfahren.

Fakt ist: Die e-Vergabe kommt nicht richtig zum Fliegen. Zu Beginn der e-Vergabe lag das sicherlich daran, dass die Plattformen noch nicht ausreichend bekannt waren und für elektronische Angebote eine digitale Signatur gefordert wurde. Diese machte für viele, v.a. kleinere Unternehmen, die Teilnahme völlig unattraktiv. Die elektronische Signatur ist mittlerweile keine Pflicht mehr, die Abgabe von Angeboten in Textform soll in der Regel ausreichen. Groß kommuniziert wurde das leider nicht.

Da in Angebotsprozesse in Unternehmen häufig mehrere interne Stellen involviert sind, ist es auch nicht unbedingt von Vorteil, wenn Vergabeunterlagen online ausgefüllt werden können. Stellen Sie sich einfach mal vor, ein Unternehmen wie Siemens würde online ein Angebot für ein neues Kraftwerk ausfüllen….. Allein die internen Genehmigungswege gäben das nicht her. Bei komplexer Individual-Software dürfte es ähnlich aussehen.

Selbst bei aktuellen Ausschreibungen, bei denen Angebote noch auf dem Postweg eingereicht werden können, ist es im IT-Umfeld mitunter richtig schwierig, Bieter zu finden, die an Verfahren teilnehmen möchten. Zu schwierig, zu viel Papier, zu unsichere Aussichten sind Antworten, mit denen sich öffentliche Auftraggeber konfrontiert sehen. Auch der Verweis auf e-Procurement bei Unternehmen hilft nicht weiter. V.a. Konzerne setzen e-Procurement ein. Dort ist allerdings keine Signatur erforderlich. Mit merkwürdigen Angebotsformaten schaffen Unternehmen zwar Vergleichbarkeit, verschließen sich allerdings selbst häufig den Weg zu wirtschaftlichen Angeboten. Wenn z.B. im Bereich der Personalvermittlung eine Plattform eingesetzt wird, die die Provision der Vermittlers an die Höhe des Gehalts des vermittelten Bewerbers knüpft und der Plattformbetreiber davon 25-30 Prozent Provision vom Vermittler fordert, führt das zwangsläufig zu einer Erhöhung der Provision oder zu einer Verringerung der Qualität. Viele Stellen bleiben unbesetzt. Auch Plattformen, die für den Bieter kostenfrei sind, führen eher zu einer Reduktion der Anzahl der Anbieter und zu einer Verschlechterung der Angebote.

Warum muss der Staat zwingend Systeme, die in der Industrie nur bedingt funktionieren, in verschärfter Form zum Einsatz bringen?
Wenn sich nur ein geeigneter Bieter bewirbt und ein Angebot abgibt, welches im Budget liegt, erhält dieser den Zuschlag. Billiger wird das nicht.
Anbieter von e-Vergabesystemen dürften auf jeden Fall Sonderkonjunktur haben. Das ist ja schonmal etwas. Vielleicht fallen dem Gesetzgeber ja noch weitere Erleichterungen ein, z.B. die Einsendung von Papierangeboten unbefristet zuzulassen.
Es soll sogar schon Vergabestellen geben, die aus lauter Verzweiflung Angebot selbst einscannen…..
Das Vergabewesen steht am Scheideweg. Warten wir ab, was das neue Jahr bringt.

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